Mein Kind wünscht sich Ohrlöcher. Wann ist das beste Alter dafür?

2022-06-10 18:45:28 By : Mr. Kim Zhu

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Das Ohrlochstechen bei Kindern ist beliebt, tatsächlich aber nicht ganz risikoarm. Rechtlich ist es ohnehin schwierig. Ein Anwalt und ein Piercer klären auf.

Spätestens in der Grundschule fangen vor allem Mädchen an zu betteln: Sie wünschen sich Ohrringe, möchten Ohrlöcher haben. Weil: Die Freundin hat das ja auch! Nicht selten werden bereits Kleinkindern Ohrlöcher gemacht. Experten sehen das mehr als kritisch.

Früher hat man das Ohr mit einem Eiswürfel betäubt und dann mit einer Nadel oder gleich dem Ohrstecker zugestochen, alles in heimischer Handarbeit und höchstens mit ein bisschen Alkohol aus den vorhandenen Beständen desinfiziert. Dass das keine gute Idee war und ist, weiß man heute glücklicherweise, sodass viele Kindertränen gar nicht erst vergossen werden müssen.

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Unabhängig davon bleiben Ohrlöcher beliebt, was nicht zuletzt auch an den vielen leicht zugänglichen Angeboten liegt: Die meisten Friseure, Schmuckhändler und Juweliere bieten das Ohrlochschießen an. Das geht ganz schnell, ohne Termin, ist nicht teuer und vor allem quasi überall verfügbar. Im Gegensatz zu einem Piercingstudio, das nicht in jeder Fußgängerzone oder in der Shoppingmall zu finden ist. Beim Piercer kostet ein Ohrloch samt Schmuck etwa 15 Euro, bei Händlern und in Läden kosten beide Ohrlöcher inklusive Schmuck nach Verbandsangaben ungefähr 30 bis 40 Euro.

Sowohl beim Piercer als auch beim Ohrlochschießen in Geschäften kann man die Qualifikation der Person, die das Ohrloch setzt, nur schwer objektiv überprüfen. Der Verband der Ohrlochstecher, International Association of Ear Piercing Market Specialists (EPM), teilt mit, dass für Mitglieder Schulungen vor Ort und auch online angeboten werden. Inhaltlich gehe es unter anderem um den Umgang mit dem Stechsystem, den Stechvorgang selbst, die Materialien der Ohrstecker sowie um Hygiene.

Schulungen dauern im Schnitt etwa einen Tag. Und: „Am Ende der Schulung empfehlen wir unseren Mitgliedern, Zertifikate auf die Person auszustellen“, teilt EPM mit. Wer genau die Schulungen durchführt, beantwortet der Verband nicht. Auf Nachfrage wird mitgeteilt: „Die Schulungen werden von Fachpersonal unserer Mitglieder durchgeführt, welche selbst Erfahrung im Stechen und allein schon aufgrund der Schulung auch in weiteren Gebieten, wie zum Beispiel den Hygienevorschriften, haben.“

Allerdings ist es für Friseure, Verkäuferinnen und andere Personen nicht verpflichtend, eine Schulung zu absolvieren oder diese regelmäßig zu wiederholen. Darüber hinaus sind bei Weitem nicht alle Händler, die das Ohrlochstechen anbieten, im Verband Mitglied, sodass sie von den Schulungen profitieren könnten. Für Eltern heißt das konkret: Fragen Sie nach! Erkundigen Sie sich, was die Person über Ohrlöcher gelernt hat, was sie weiß. Wie reagiert sie auf Nachfragen? Wann war die letzte Schulung? Wie oft setzt sie Ohrlöcher? Die praktische Erfahrung ist ebenso wichtig wie das theoretische Hintergrundwissen.

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Mittlerweile verwendet man in den Geschäften auch keine klassischen Ohrloch-Schieß-Pistolen mehr, sondern geräuschlose und hygienischere Stecksysteme: „Das Problem bei den klassischen Schieß-Systemen ist, dass diese direkt mit der gestochenen Stelle in Kontakt kommen“, teilt der EMP mit. „Die Hygienevorschriften der Bundesländer sehen dann vor, dass diese nicht nur desinfiziert, sondern komplett sterilisiert werden müssen. Insofern haben sich Systeme durchgesetzt, die eine austauschbare Einweg-Kartusche verwenden oder keinen direkten Kontakt mit der zu stechenden Fläche haben.“

Nach Aussagen des EMP verwenden auch Piercer derartige Systeme. Alex Zschoch, Inhaber des Piercing- und Tattoostudios My Own in Potsdam, ist seit 17 Jahren selbst Piercer, in der Szene bekannt und viel rumgekommen. Er würde nie etwas anderes als eine Hohlnadel zum Piercen nehmen: „Die wird ja auch aus gutem Grund beispielsweise beim Blutabnehmen verwendet, weil sie extrem spitz und die abgeschrägte Seite derart angeschliffen ist, dass sie das Gewebe so verletzungsarm wie möglich aufschneidet.“

In diesen durch die Spritze entstandenen Hohlkanal wird der Schmuck eingesetzt. „Beim Durchstecken des Schmucks, wie es mit Pistolen in Geschäften gemacht wird, verletzt man das Gewebe, sodass es zu Verknorpelungen kommen kann“, erklärt der Piercer. „Das ist wie bei einem Blatt Papier, das man mit einem Finger durchbohrt. Da stülpen sich die Ecken nach hinten, im Fall eines Ohrläppchens nach innen ins Fleisch. Das heilt normalerweise nicht so gut ab wie ein ordentlicher Nadelstich, weil Ohrlochstecker, auch wenn sie leicht angespitzt sind, nicht so scharf sind.“

Hinzu kommt, dass der Schmuck meistens zu eng angelegt werde. „So kann das Ohrläppchen nicht anschwellen, was aber seine natürliche Reaktion auf die Verletzung ist“, so Zschoch. „Damit dann das Gewebe nicht über den Steckerverschluss wächst, muss man den Stecker ständig drehen, und das birgt ein Infektionsrisiko, weil vor allem Kinder sich ihre Hände nicht ordentlich desinfizieren. Ich rate meinen Kundinnen und Kunden immer: Nicht anfassen, einfach heilen lassen.“ Bei einem gepiercten Ohr wird der Stecker mit reichlich Luft eingesetzt, sodass das Ohrläppchen Platz zum An- und Abschwellen hat.

„In den Jahren seit Gründung des EPM e. V. haben wir keine Rückmeldung erhalten, dass es beim Ohrlochstechen zu Komplikationen aufgrund der Produkte, der Qualität oder des Materials gekommen ist“, teilt der Verband auf Nachfrage mit.

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Allerdings gibt es auch für Piercer keine richtige Ausbildung, die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt, Schulungen nicht verpflichtend. „Deshalb sollte man sich zunächst im Studio umgucken: Wirkt es sauber, freundlich, wird ein steriler Einmal-Stift zum Anzeichnen benutzt? Wo es staubig ist, wäre ich skeptisch in Bezug auf die Hygiene“, so Alex Zschoch.

Die meisten professionellen Piercer besuchen Lehrgänge, die von medizinischem Fachpersonal sowie dem Robert-Koch-Institut angeboten werden. Nach 40 Stunden Schulung muss man eine Prüfung ablegen und bekommt einen Nachweis über das Aufbereiten von Medizinprodukten, sofern man bestanden hat. „Die Urkunde sollte jedes Studio haben. Lassen Sie es sich zeigen“, rät der Piercer. Darüber hinaus kann man fragen, ob das Studio in einem eingetragenen Piercing-Verein Mitglied ist. Das ist auch ein gutes Zeichen.

„Erkundigen Sie sich auch nach der Erfahrung des Piercers oder der Piercerin“, empfiehlt Alex Zschoch. „Mindestens zwei Jahre lang sollte man schon gestochen haben, um ein Piercing – und nichts anderes ist ein Ohrloch ja – gut zu setzen.“ Man brauche, so der Fachmann, nicht nur anatomische Kenntnisse, wenn man als Piercer arbeiten wolle, sondern eben auch viel Detailwissen zur Auswahl der richtigen Nadel sowie des passenden Schmucks. „Das lernt man alles in den Lehrgängen, die sehr kostenintensiv sind und die man selbst bezahlen muss“, sagt Zschoch.

Der Verband EPM spricht von ungefähr sechs Wochen, bis der Schmuck gewechselt werden kann: „Während dieser Heilungsphase empfehlen unsere Mitglieder, dass nur beim Auftragen von Pflegeprodukten der Ohrstecker leicht hin- und herbewegt wird, um zum einen ein leichtes Herausnehmen zu ermöglichen und zum anderen, um das Pflegemittel an alle Stellen zu verteilen.“

Piercer Alex Zschoch empfiehlt hingegen, das durchstochene Ohr möglichst nicht zu berühren, den Schmuck nicht zu drehen, nicht zu bewegen und nicht herauszunehmen, sondern höchstens ein Pflegespray auf Basis von Kochsalzlösung aufzutragen. Bei Entzündungen solle man ins Studio gehen, damit der Piercer oder die Piercerin die Wunde behandeln kann. „Im Normalfall dauert die Abheilung zehn bis zwölf Wochen. So lange braucht der Körper einfach, bis der Stichkanal stabil ist und man selbst guten Gewissens den Schmuck tauschen kann“, so der Potsdamer.

Gerade vor den Sommerferien werden gerne Ohrlöcher gemacht, weil die Kinder in diesen sechs Wochen keinen Sportunterricht haben, wo sie Ohrstecker üblicherweise entfernen oder abkleben müssen. Zugleich wollen die Kinder aber baden gehen. Ist das okay? „Kommt drauf an“, sagt Zschoch.

„Man muss bedenken, dass sich im Freibad und den Seen auch Reste von Sonnencreme, Schweiß, Algen und Urin befinden. Das könnte durchaus ein Infektionsrisiko darstellen, ist aber nicht sehr wahrscheinlich. Vorsichtig sollte man trotzdem sein und aufs Tauchen verzichten, weil da Keime eindringen können.“ Unproblematisch ist das Duschen sowie das wilde Planschen in der heimischen Badewanne beziehungsweise im privaten Pool.

In den Ladengeschäften wird das Alter nicht erfragt. In Piercingstudios wird man in der Regel wieder weggeschickt, wenn das Kind jünger als zehn Jahre ist. Und das hat einen guten Grund, wie Rechtsanwalt Urban Slamal erklärt: „Rein strafrechtlich ist es so, dass man eine Körperverletzung begeht, wenn man jemandem Schmerzen oder Schaden zufügt. Das ist ganz klar und eindeutig im Strafgesetzbuch, Paragraf 223, geregelt.“

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Das Gesetz unterscheidet hierbei nicht, ob ein Elternteil sein Kind schlägt oder der Piercer ein Loch ins Ohr sticht. Es ist, rein rechtlich, ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Kindes. „Natürlich können Eltern stellvertretend für ihr unmündiges Kind erforderlichenfalls eine Einwilligung aussprechen, was beispielsweise bei notwendigen Operationen der Fall ist“, sagt der Fachanwalt für Strafrecht. „Eltern können solchen Eingriffen allerdings nur zustimmen, wenn sie dem Wohl des Kindes dienen. So steht es im Bürgerlichen Gesetzbuch, Paragraf 1627.“

Der Streitpunkt: Dienen Ohrlöcher dem Wohl des Kindes? „Da die Maßnahme nicht medizinisch indiziert ist, können die Eltern – rein von der Gesetzeslage her – nicht wirksam einwilligen“, so Urban Slamal. „Erst wenn das Kind eine geistig-seelische Reife hat, um sein Tun einzuschätzen, kann es – unter strafrechtlichen Aspekten – eine solche Entscheidung autonom fällen.“ Diese natürliche Einsichtsfähigkeit jedoch ist individuell verschieden. Manch Kind ist mit zwölf Jahren so reif, ein anderes erst mit 15.

Aus juristischer Sicht ist 14 Jahre ein gutes Alter. Dem Gesetz nach sind Jugendliche dann weit genug, um bedingt geschäftsfähig zu sein. Sie dürfen beispielsweise von ihrem Taschengeld Dinge kaufen, ohne dass die Eltern zustimmen müssen. Gleichwohl: Wo kein Kläger, da kein Richter. „Dass das Ohrlochstechen vor Gericht landet, ist in der Praxis extrem selten und kommt, wenn überhaupt, bei zerstrittenen Ex-Paaren vor, wo die Einwilligung des anderen nicht eingeholt wurde“, so der Anwalt.

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