Kritik und Ausbaupläne der KW Kaunertal - tirol.ORF.at

2022-09-23 20:13:43 By : Mr. Eric Hua

Laut der Umweltorganisation WWF und der Alpenschutzkommission CIPRA-International sei der Ausbau des Kraftwerks Kaunertal umwelttechnisch nicht tragbar. Die Organisationen fordern einen sofortigen Projektstopp.

Die Alpenschutzkommission CIPRA-International hat die Erweiterungs-Pläne des Kraftwerks Kaunertal auf fünf Kriterien geprüft und Mängel besonders in drei Kategorien entdeckt. Kritisiert wird vor allem die fehlende vorausschauende Planung, der fehlende Schutz der letzten intakten „Süsswasserperlen“ der Alpen und der geringe länderübergreifende Austausch in der Zusammenarbeit.

Bereits 2009 wurden die Pläne für das große Pumpspeicherwerk eingereicht – mit einer Oberstufe am Gepatsch, einer zweiten Unterstufe in Prutz und einem Zubau beim Kraftwerk Imst. Derzeit läuft die Umweltverträglichkeitsprüfung. Rund 787 Millionen Killowattstunden pro Jahr könnten durch die Erweiterung mehr produziert werden, heißt es. Der geplante Staudamm wäre rund 120 Meter hoch.

Bereits 95,5 % der Stromgewinnung in Tirol kommen aus der Wasserkraft. Ein Ausbau dieser solle vor allem in Zukunft vom Land forciert werden. „Das macht keinen Sinn“, so Geschäftsführer von CIPRA International Kaspar Schuler. „Wenn Sie ein ganzes Bundesland versorgen wollen und sagen Sie legen jetzt noch einmal 2.800 Gigawattstunden drauf, dann sagt Ihnen jeder Bankier, wieso investieren Sie immer in die gleichen Aktien?“. Vor allem im Angesicht der drohenden Dürren, aufgrund der Klimakrise, könne das wirklich schiefgehen.

Dass das Kraftwerk Kaunertal über die Energiekrise helfe, sieht Schuler nicht so. „Es dauert noch viele viele Jahre bis die Erweiterung im Kraftwerk Kaunertal realisiert werden würde, wenn sie es überhaupt wird“. Generell glaubt er nicht, dass die Erweiterung stattfinden wird. „Jeder gesunde Menschenverstand sagt, dieses Projekt ist ein Relikt. Es ist überdimensioniert und es entspricht nicht den heutigen ökologischen Kenntnissen“. Deswegen empfehle er der TIWAG es „schicklich zu beenden“.

Rund ein Drittel des Zubauzieles von ganz Österreich in Sachen erneuerbare Energie soll aus Tirol kommen. „Interessant ist hier, dass dieses Ziel nicht anlagenspezifisch definiert wurde“. Hier habe man mit Österreich einen einmaligen Fall im gesamten Alpenraun, weil man sich nicht mit allen wichtigen Stakeholdern und auch Politikerinnen und Politiker im Vorhinein zusammengesetzt hat für die Planung. „Ein Drittel für die Zielerreichung soll aus Tirol kommen, ohne Kaunertal“.

Es bestehe laut Schuler der allgemeine Konsens im Alpenraum, dass man kaum bis keine Gewässerstrecken zusätzlich für die Nutzung zugänglich macht. „Die TIWAG sieht das anders“, so der Geschäftsführer von CIPRA. Dem Ötztal soll bis zu 80% des Wassers entzogen werden, was verheerende Folgen hätte, denn es sei eines der niederschlagärmsten Täler Österreichs.

Auch 6,3 Hektar Moorlandschaft sollen im Platzertal unter Wasser gesetzt werden. Dies hätte auch Auswirkungen auf den Tourismus. „Wer vorausschauend denkt im Tourismus, der sieht, dass unberührte Bäche und Naturlandschaften großes Potenzial haben. Wenn man das sprudelnde Wasser nur noch im Wellness-Hotel und nicht mehr in der Natur findet, weiß man, dass etwas schiefgelaufen ist“.

Die Erweiterungsmaßnahmen würden auch dem Energieprotokoll der Alpenkonvention, Artikel sieben widersprechen, in dem die Unversehrtheit und Funktionsfähigkeit der Fließgewässer und Landschaften bei Wasserkraftanlagen betont wird. „Ich wage es zu bezweifeln, dass man damit durchkommt, wenn man sie hart juristisch auf die Feuerprobe stellen wird“, meint Schuler.

Im ganzen Alpenraum herrsche ein großer Mangel am notwendigen grenzüberschreitenden Bewusstsein für internationale Zusammenarbeit. „Die Alpenflüsse sind kollektive, gemeinschaftliche Güter“, so Schuler. Wenn Tirol oder andere Gebiete das Wasser nur für sich beanspruchen würden, für den Tourismus oder auch die Skigebiete, dann gehe die europäische Wasserrechnung in Zeiten der Klimakrise nicht mehr auf.

Auch Hanna Simons Programmleiterin und stellvertretende Geschäftsführerin von WWF Österreich spricht sich dezidiert gegen die Kraftwerk-Erweiterung im Kaunertal aus. Umweltschonende Energieerzeugung fange für sie schon beim Energie sparen an. „Ohne können wir es nie schaffen unseren Energiebedarf erneuerbar zu decken“. Die restliche Energie könne man nicht nur durch Wasserkraft gewinnen. „Andere Technologien wie die Photovoltaik sind in Tirol noch kaum ausgebaut und da wäre es nicht nur für die Naturverträglichkeit, sondern auch für das Risikomanagement gut auch andere erneuerbare Energiequellen mithineinzunehmen“. Dabei sei es immer wichtig den Eingriff in die Natur so gering wie möglich zu halten.

Der Forderungnach einem Stopp der Ausbaupläne erteilt heute der Aufsichtsratvorsitzende der Tiwag, Anton Mattle, eine Absage. Ohne Ausbau der Wasserkraft und der Photovoltaik in Tirol sei die Energiewende nicht zu schaffen, sagt Mattle. Die sture Haltung des WWF und CIPRA-International würde den Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle nur verzögern, meint Mattle wörtlich.

Auch die Grünen melden sich in Bezug auf die Erweiterung der Kraftwerkspläne zu Wort. Die geäußerten Bedenken seien „ernst zu nehmen“. „Wir waren dem Kraftwerk Kaunertal gegenüber immer kritisch und ein weiteres Mal bestätigt sich, dass dieses Kraftwerk nicht der Zielsetzung des „ökologisch vertretbaren“ Ausbaus entspricht“, so die Grüne Petra Wohlfahrtstätter.

Für sie stehe besonders der Ausbau der Photovoltaik im Mittelpunkt. „Wäre der PV Ausbau von der ÖVP mit freundlicher Unterstützung der TIWAG nicht über Jahre verschleppt und blockiert worden, wären wir heute nicht in der misslichen Lage von russischem Gas derart abhängig zu sein“, so die Grüne.

Laut der Liste Fritz sei die Erweiterung des Kraftwerks Kaunertal nicht mehr zeitgemäß, überdimensioniert und sollte sofort gestoppt werden. Wenn die TIWAG das Projekt nicht selbst beenden wolle, müsste die schwarz-grüne Landesregierung „die Reißleine ziehen“. Neben der Natur würde vor allem die Bevölkerung und auch der Tourismus von dem riesigen Projekt geschädigt werden. Sie sprechen sich für eine Photovoltaik- und auch Trinkwasser-Kraftwerk-Offensive aus.

Die NEOS betonen vor allem den nötigen Ausstieg aus Öl und Gas. Für Dominik Oberhofer müssen deswegen alle möglichen Ressourcen wie Wasser, Wind und auch Sonne genutzt werden. „Der Bau des Speicherkraftwerks ist also unumgänglich. Was dieser Fall aber einmal mehr zeigt, ist die absurde Länge der Bewilligungsverfahren. Die müssen auf die Überholspur!“, so Oberhofer.

Die FPÖ in Tirol ist für eine stärkere Förderung der heimischen Wasserkraftnutzung, neben einer starken Photovoltaikoffensive. „Die ÖVP und die Grünen haben beides in den vergangenen neun Jahren unterlassen, damit wir endlich unabhängig vom internationalen Strommarkt werden können, eine Schande, und bezahlen müssen es nun die Ärmsten der Armen in Tirol, denn sie müssen auf Energie verzichten, aufgrund der horrenden Energiepreise“, so die FPÖ.

Der SPÖ-Vorsitzende Georg Dornauer bejaht die Wasserkraft als ein Kernelement im Kampf gegen den Klimawandel. Jedes diesbezügliche Vorhaben unterliege strenger Umweltverträglichkeitsprüfungen und benötige die entsprechenden naturschutzrechtlichen und wasserrechtlichen Bewilligungen, so Dornauer. Die Notwendigkeit einer österreichweiten Strategie zur Errichtung von Wasserkraftwerken sei gegeben, aber dies dürfe nicht zu Verzögerungen in den erforderlichen Verfahren führen. Mit dem Ziel eines klimaneutralen Tirol 2040 sei rasches und entschlossenes Handeln angesagt.

Anna Hirschhuber/red, tirol.ORF.at