Akademie der Bildenden Künste München: Karen Pontoppidans Reich

2022-08-19 20:31:30 By : Ms. Vera Ye

Die Akademie der Bildenden Künste München zeigt noch bis 31. Juli ihre Jahres-Diplomausstellung. Ein Besuch der Schau mit Karen Pontoppidan, der neuen Präsidentin der Münchner Kunstakademie.

Eine Halskette, groß wie ein Babylätzchen, gefertigt aus Rinde und Leder. Okay. Muss man tragen können. Suvi Tupola hat sie kreiert. Sie ist Studentin an der Akademie der Bildenden Künste München, in der Schmuck-Klasse von Karen Pontoppidan. Und damit gleichzeitig Schülerin der neuen Präsidentin der Kunsthochschule. Im April hat Pontoppidan – wie berichtet – Dieter Rehm, der die Akademie zwölf Jahre lang geleitet hatte, an der Spitze abgelöst. In einem Moment der Krise der Kulturbranche, nach zwei Jahren Corona-Chaos. Davon ist in den Räumen an der Akademiestraße unweit des Siegestors nichts mehr zu spüren. Endlich wieder Leben in der Bude. Bis Sonntag präsentieren die Studentinnen und Studenten ihre Werke bei der Jahres-Ausstellung. Die Studierenden aus der Klasse von Gerhard-Richter-Schülerin Karin Kneffel haben ihren Raum mit Rasen ausgelegt.

Auch Suvi Tupola aus Finnland zeigt, was sie für besondere Schmuckstücke gestaltet hat. Aus Naturmaterialien, mit ungemeiner Präzision und Kreativität. Das, was in Pontoppidans Klasse entsteht, hat mit Swarovski und Tiffany nichts zu tun. Schmuckkunst, das ist höchste Handwerkskunst mit Aussagekraft. Und wer soll das tragen? Die Professorin lacht. Sie lacht sehr gern, sehr herzlich. Und immer, wenn sie im Gespräch die Antwort auf eine Frage beendet, nickt sie abschließend und schaut einen mit ihrem wachen Blick und den freundlichen Augen lächelnd an. Man kann sich gut vorstellen, wie sie das bei ihren Studierenden tut. Wie sie ihnen zuhört, wenn die von ihrer künstlerischen Vision sprechen. Und wie sie sie bestärkt – dann aber auch immer hinterfragt, wie die jungen Leute einst damit ihren Lebensunterhalt verdienen wollen. Denn dieser nicht ganz unwesentliche Aspekt darf bei allem Idealismus auch nicht unter den Ateliertisch fallen.

Was ist der 54-Jährigen, die seit 2015 als Professorin an der Kunsthochschule lehrt, im Zweifel wichtiger bei den Arbeiten ihrer Studierenden: der künstlerische Ausdruck oder die Frage, ob das Werk auch bei potenziellen Käufern Anklang finden wird? „Für mich stellt sich immer die Frage: Wo möchte der Studierende oder die Studierende hin mit den eigenen Arbeiten?“, sagt Pontoppidan. „Es gibt Studierende, die möchten unsere Kunstform neu definieren, die möchten experimentell arbeiten, das unterstütze ich gerne. Aber natürlich gehört dann auch ein Gespräch dazu, in dem ich frage: Wie finanzierst du später dein Leben?“ Vielen, sie schätzt: rund der Hälfte der Studierenden, sei der monetäre Erfolg nicht das Wichtigste. Die schuften lieber nebenher in anderen Jobs, um nicht von ihrer Kunst leben zu müssen, um frei schaffen zu können. „Und dann gibt es die mit einem anderen Fokus. Die schaffen künstlerisch wertvolle Arbeiten, die zugänglicher formuliert sind. Deren Botschaft ein jeder gleich versteht. Das ist sicher ein Talent, das ich nicht besitze mit meiner künstlerischen Sperrigkeit“, meint Pontoppidan schmunzelnd. Sie selbst zeigte ihre Arbeiten in München zuletzt in der Münchner Villa Stuck.

Klar, was leichter verständlich ist, das verkauft sich auch besser. Und auf welchem Wege? „Für meine Generation waren Galerien eine gute Möglichkeit. Die Frage ist, ob es für die jetzige junge Generation auch der beste Weg ist. Das Ortsgebundene wird von den Studierenden hinterfragt. Ob man nicht eher einen Agenten braucht, der individuell für einen agiert. Da werden Fragen gestellt, die zu neuen Systemen führen können. Das ist das, was wir wollen: kritisch denkende Studierende.“

Ein bisschen Wehmut schwingt mit, wenn man Pontoppidan fragt, wo sich die Münchner Kunstszene heute trifft. Die Stadt ist teuer, ein Abend in den angesagten Bars für solche, die sich gerade einmal eine Neun-Quadratmeter-Bude leisten können, außer Reichweite. „Es braucht alternative Orte in der Stadt. Ich habe den Eindruck, dass viel von dem, was sich zu meiner Zeit in Kellerbars abgespielt hat, heute über Instagram und Co. passiert. Da wird sehr viel Kontakt aufgebaut. Was sicher auch wertvoll ist – aber das Analoge kann es meiner Meinung nach nie ersetzen.“

Und so möchte die neue Präsidentin besonders die Vernetzung vorantreiben. „Es braucht ein neues Wir-Gefühl“, sagt sie. Zwischen den Studierenden, dem Kollegium – aber auch eine stärkere Verbandelung mit der Stadt, anderen Kulturinstitutionen. „Uns ist während der Pandemie bewusst geworden, welch geringen Stellenwert die Kultur in der Politik hat. Dass wir nicht als allererstes als systemrelevant eingestuft werden, ist nachvollziehbar. Aber dass unser Wert auf der Stufe von Skiliften oder Bordellen steht, das war schon niederschmetternd“, betont Pontoppidan. Und stellt sich die Frage, ob man selbst zu wenig nach außen kommuniziert hat, wie wichtig die Kunst ist. „Vielleicht müssen wir da mehr Kraft investieren, um in unserer Wichtigkeit sichtbar zu werden.“ Kunst sei immer einen Schritt voraus und könne auf die Probleme von morgen hinweisen. „Das ist ein unglaubliches Potenzial. Deswegen brauchen junge Künstlerinnen und Künstler Unterstützung, Ausstellungen, Entwicklungspotenzial. Sind wir als Gesellschaft nicht mehr bereit, das zu fördern, machen wir uns selbst kaputt.“

Bis 31. Juli 2022 läuft die Diplom-Jahresausstellung in der Akademie der Bildenden Künste München. Infos - auch zu Führungen - gibt es hier