Turgi - Am neuen Ort spriessen die kreativen Gedanken: Berauschender Auftakt für die Ateliergemeinschaft «Vitrine»

2022-05-27 18:53:05 By : Lily Cao

Seit Januar wirkt die Ateliergemeinschaft «Vitrine» im ehemaligen Restaurant Killer in Turgi – und ist damit mehr als zufrieden.

Es ist eine spezielle Atmosphäre, die im «Killer» in Turgi herrscht. Im offenen, hellen Raum, in den die Ateliergemeinschaft gezogen ist, erinnert kaum mehr etwas an die vorherige Nutzung: Im Eingangsbereich entdeckt man Schmuck und andere kreative Produkte in Regalen, in einem Teil des Raumes stehen mehrere grosse Webstühle. Nur die Küche im hinteren Teil und der lange Beizentisch für das gemeinsame Mittagessen verraten, dass hier zuvor ein Restaurant war. An einigen der 14 Arbeitsplätze geht gerade jeder seiner eigenen Arbeit nach – manche hauptberuflich, andere als Hobby. Die Stimmung ist dabei sehr locker: Wie in einer Art Wohngemeinschaft herrscht zwischen den kreativen Köpfen ein freundschaftlicher Umgang.

Die Journalistin Anouk Holthuizen hat 2014 zusammen mit Christof Borner und Vera Käufeler sowie 18 weiteren Interessierten die Ateliergemeinschaft gegründet. Die drei suchten einen günstigen Arbeitsplatz für ihre freie Tätigkeit und fanden diesen in der leer stehenden Blumenladen Widmer an der Seminarstrasse in Wettingen. Während über die Jahre einige Mitglieder die Gemeinschaft verlassen haben, sind andere hinzugekommen. Heute zählt die «Vitrine» 17 Mitglieder, von der Weberin oder Schmuckgestalterin bis hin zum Tüftler. Da es aber nun beim Blumenladen einen Neubau geben wird, musste ein neuer Ort her. Das «Killer» eignete sich dafür in den Augen der Gemeinschaft am besten: «Hier sind wir mehr im Zentrum und somit besser in der Umgebung eingebettet», sagt Holthuizen. Einen Atelierplatz für so wenig Geld zu finden, sei nur dank der vielen Mitglieder möglich.

Trotz der Nähe zu Wettingen sei der Umzug nach Turgi sehr aufwendig gewesen. «Um die Webstühle transportieren zu können, mussten wir sie auseinandernehmen», erzählt Grafikerin Marianne Padeste. Das erneute Aufbauen hätten die neun Weberinnen aber an nur einem Tag geschafft. Die Farbgestaltung des Raumes hat Regina Bigler, ebenfalls ein Mitglied der «Vi­trine», übernommen. Die zuvor in verschiedenen Farben gestrichenen Wände wurden hellblau, um Ruhe und Weite auszustrahlen. So sollen die kreativen Ideen gefördert werden. Charakteristisch für die «Vitrine» ist die Mischung verschiedener Gewerbe und die Vielfalt an Tätigkeiten. Gegenseitige Inspiration und Austausch sowie Zusammenarbeit werden dabei gross geschrieben. Ein Beispiel hierfür sind die Arbeiten für das Geschäft «Sprungbrett Baden», wo Schmuckgestalterin Monika Kappeler ausstellt: Bigler war auch dort für die Farbgestaltung zuständig, Padeste unter anderem für Logo und Flyer. Die Idee der Ateliergemeinschaft ist, mit vielen Leuten einen Ort zu teilen, an dem man gemeinsam seiner Leidenschaft nachgehen kann. «Viele kreative Tätigkeiten scheitern am Raumangebot», so Anouk Holthuizen. Sie findet, kreative Menschen sollten – im doppelten Sinne – mehr Raum für ihre Ideen erhalten. Umso grösser die Dankbarkeit der Mitglieder, schon seit Jahren diese Möglichkeit zu haben. Zusätzlich zur Werkstätte nutzt die Ateliergemeinschaft das Lokal für Webkurse und den Verkauf ihrer Produkte. Einige von ihnen waren auch schon am Weihnachtsmarkt von Turgi, um sich der Bevölkerung vorzustellen.

«Wir wollen aber künftig noch mehr Angebote für Interessierte schaffen», verrät Holthuizen. Geplant ist eine alljährliche Ausstellung sowie ab und zu kleinere kulturelle Anlässe für die Menschen aus Turgi. Damit will die Gemeinschaft auch zur Integration von Flüchtlingen beitragen. Als Erstes auf dem Programm steht jedoch am 9. Mai ein Tag der offenen Tür in der «Vitrine».

Sonntagsmaler Roland Wal­thert ist laut eigener Auskunft einer der beiden «Quotenmänner» der Ateliergemeinschaft. Er hat schon als Jugendlicher gezeichnet und freut sich darüber, seit der Rente mehr Zeit für sein künstlerisches Hobby zu haben. Was er neben seinem hellen Plätzchen am meisten schätzt, ist die Gemeinschaft: «Ich bin zwar um einiges Älter als der Rest, aber die Frauen sind sehr sympathisch», sagt der 75-Jährige. Die Vielfalt der Tätigkeiten finde er «ausserordentlich interessant». Denn diese würde der Gruppe eine ganz besondere Harmonie geben.