Warum immer mehr Popstars Konzerte absagen - Blick

2022-10-14 21:56:08 By : Ms. Miranda Wei

Der nackte Oberkörper voller Tattoos, eine pinkfarbene Mütze auf dem Kopf und eine glitzernde Silberkette um den Hals. Justin Bieber (28) singt bei seinem Konzert in Rio (Brasilien) Anfang September die Ballade «Love Yourself». Sofort entsteht zwischen ihm und seinem Publikum eine Verbindung, die selbst in Videos auf Youtube spürbar ist. Tausende Fans singen den ganzen Song über mit, während der Popstar in ein Meer von glänzenden Augen und leuchtenden Handykameras blickt.

Für eine Weile war das die letzte Show von Bieber. Zwei Tage nach dem Auftritt in Rio teilte er seinen Fans auf Instagram mit, dass er seine Welttournee unterbreche. «Nachdem ich die Bühne verlassen hatte, war ich erschöpft, und mir wurde klar, dass meine Gesundheit jetzt Priorität haben muss», schrieb er. Das Konzert in der Schweiz war zu diesem Zeitpunkt nicht betroffen. Doch seit Donnerstag ist bekannt: Bieber hat weitere Shows gestrichen und kommt am 18. Januar 2023 nicht nach Zürich ins Hallenstadion. Er legt eine Pause ein, um sich auf seine mentale und physische Gesundheit zu konzentrieren. Er brauche Zeit, um sich auszuruhen und gesund zu werden.

Der kräftezehrende Touralltag von Sängerinnen und Sängern macht nicht nur ihm zu schaffen. In den vergangenen Monaten haben unter anderem Shawn Mendes (24), Arlo Parks (22), Russ (30), Sam Fender (28) und Howard Lawrence (28) von Disclosure ihre Tourneen wegen psychischer Probleme unterbrochen. In der Vergangenheit auch Demi Lovato (30), Selena Gomez (30) oder Solange Knowles (36).

Arlo Parks schrieb Mitte September auf Instagram. «Die Leute um mich herum begannen sich Sorgen zu machen, aber ich wollte unbedingt abliefern und hatte Angst, meine Fans und mich selbst zu enttäuschen», so die britische Sängerin. Ihre psychische Gesundheit habe sich bis zu einem lähmenden Punkt verschlechtert. Sie musste mehrere Shows in den USA streichen. «Ich nehme solche Entscheidungen nicht auf die leichte Schulter, aber ich bin kaputt, und ich muss mich wirklich um mich selbst kümmern.»

Für Menschen in persönlichen Krisen gibt es rund um die Uhr Anlaufstellen.

Beratungstelefon der Dargebotenen Hand: Nummer 143 Beratungstelefon Pro Juventute: Nummer 147

Weitere Infos erhalten Sie bei: www.reden-kann-retten.ch

Für Menschen in persönlichen Krisen gibt es rund um die Uhr Anlaufstellen.

Beratungstelefon der Dargebotenen Hand: Nummer 143 Beratungstelefon Pro Juventute: Nummer 147

Weitere Infos erhalten Sie bei: www.reden-kann-retten.ch

US-Rapper Russ enttäuschte Ende August seine Fans in Europa, als er kurz vor Beginn seiner Tournee Konzerte absagte. «Ich fühle mich mental beschissen», schrieb er auf Instagram. «Ausnahmsweise muss ich mich selbst an die erste Stelle setzen.»

Ähnlich tönte es im Sommer bei Shawn Mendes, als er diverse Konzerte seiner Welttournee cancelte. Der Sänger postete einen langen Text auf Instagram, um sich bei seinen Fans zu entschuldigen. «Ich habe diese Tournee mit der Vorfreude begonnen, nach einer langen, pandemiebedingten Pause endlich wieder live zu spielen», schrieb er. «Aber in Wirklichkeit war ich überhaupt nicht darauf vorbereitet, wie schwierig das Touren nach dieser Auszeit sein würde.»

Dieses Jahr kamen diverse Studien heraus, die belegen, dass die Jugendlichen psychisch stark belastet sind. Sie haben besonders unter den Folgen der Pandemie gelitten, und nun kommen neue Sorgen wie der Krieg in der Ukraine dazu. Die vielen Konzertabsagen zeigen, dass die Popstars nicht davon verschont sind.

Der deutsche Psychiater Borwin Bandelow (70) hat sich in einem Buch mit der mentalen Gesundheit von Stars auseinandergesetzt. «Viele dieser Menschen jagen den Endorphinen hinterher, weil sie labil sind und nach Glücksmomenten streben», sagt er zu Blick. Es überrasche ihn nicht, dass die Künstler irgendwann einen Punkt in der Karriere erreichen würden, an dem sie wegen schwieriger Umstände mit psychischen Problemen zu kämpfen hätten.

Aktuell scheint es ein ziemlich verbreitetes Phänomen zu sein. Joe Hastings von Help Musicians, einer britischen Organisation für psychische Gesundheit in der Musikbranche, hat eine deutliche Zunahme von Konsultationen registriert. «Nach einer längeren ruhigen Periode haben sich vermehrt Musiker wegen Stress, Angst und Leistungsangst an uns gewandt», sagte er in einem Interview mit der britischen Zeitung «The Guardian». Grund sei der wachsende Druck auf die Künstler. Es bestehe nach wie vor eine Zurückhaltung des Publikums aufgrund der Pandemie, was sich wiederum auf die Veranstalter und die Ticketpreise auswirke.

Laut Hastings ist es wichtig, dass die Stars über ihre Probleme sprechen. «Die Art und Weise, wie Künstler ihre Erfahrungen teilen, war vor fünf Jahren noch nicht so verbreitet», sagte er. Die offene Diskussion in den sozialen Medien über die Herausforderungen in der Branche könne bei den Veranstaltern, den Managern und den Fans für mehr Verständnis sorgen.